Asatru: Germanisches Heidentum heute
Ob Tolkiens Herr der Ringe, Wagners Adaption des Sigurdlieds oder auch Marvels Thor und die Avenger - germanische Mythologie und Sagengut ist bis heute Teil der westlichen Kultur und fasziniert immer wieder neue Generationen. Gandalf ist der Archetyp des Magiers und weist alleine äußerlich schon viele Gemeinsamkeiten mit Odin auf. Dank Marvel sehen wir Thor als blonden, starken Krieger vor uns, der trotz Göttlichkeit sehr sympathisch rüber kommt. Aus den germanischen Sagen kennt man ihn zwar rothaarig, aber zumindest haben er und seine Comic- und Filmadaption einen Hammer.
Die germanische Götter- und Heldenwelt bietet aber nicht nur der Unterhaltungsindustrie Inspiration. In vielen Ländern haben sich Gruppen gebildet, die die Religion der Germanen wiederbeleben. Im 19. Jahrhundert wurde erstmals der Begriff “Asatru” (wörtlich in etwa Asenglaube, manchmal auch Asentreue) dafür verwendet. Damals bezog er sich vor allem auf die romantische Vorstellung der Kultur und Religion der Wikinger. Heute ist damit allgemein die möglichst originalgetreue Verehrung der Asen und Wanen, sprich aller germanischen Götter gemeint.
Asatru ist eine rekonstruktionistisch ausgelegte Religion. Die Anhänger der germanischen Heidentums legen großen Wert darauf, ihre Religion möglichst genauso auszuüben, wie es die Germanen früher getan haben. Dabei berufen sie sich einerseits auf die Überlieferungen der Eddas und Sagas, andererseits aber auch auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Beispiel aus den Bereichen Archäologie und Sprachwissenschaft. Die Integration von Elementen aus anderen Religionen und Kulturen wird in der Regel abgelehnt.
In vielen Ländern ist das neugermanische Heidentum bereits als Religion offiziell anerkannt. Dazu gehören Island, Norwegen und die USA. In Deutschland ist die Sachlage kompliziert. Da die germanischen Kultur von den Nationalsozialisten ideologisch besetzt wurde, haben sich viele Heiden völlig von ihr abgewandt und sich zum Beispiel mehr auf die unbelasteten Kelten konzentriert. In einigen Büchern sieht sich der interessierte Leser mit ideologischen Ideen der NS-Zeit konfrontiert und das Thema ist auch immer noch stark von Neonazis besetzt. Natürlich gibt es auch in Deutschland neugermanische Gemeinschaften, die sich klar von rassistischen Tendenzen abgrenzen. Dazu gehört beispielsweise der Eldaring e.V. oder der Verein für germanisches Heidentum e.V.
Auf den folgenden Seiten gebe ich einen allgemeinen Überblick über Asatru heute. Mehr Informationen finden sich hier:
Die ältere und die neuere Edda (bzw. Lieder-Edda und die Prosa-Edda)
Kveldúlf H. Gundarsson, Kurt Oertel (Hrsg.): Ásatrú. Die Rückkehr der Götter.
Fritz Steinbock: Das heilige Fest. Rituale des traditionellen germanischen Heidentums in heutiger Zeit.
Jenny Blain: Seidr: Die neun Welten der Seidr-Magie. Ekstase und Schamanismus im germanischen Heidentum.
Uta Halle: Nationalsozialisten und Archäologie
Prof. Georg Schuppener: Vereinnahmung germanischer Mythologie im rezenten Rechtsextremismus
©kb